Georg Ringsgwandl – Der verreckte Hof
Theater an der Winkelwiese Zürich 2014
Regie: Stephan Roppel
Bühne und Kostüme: Petra Straß
Musikalische Leitung: Markus Schönholzer
Licht und Technik: Tashi-Yves Dobler/ Paul Schuler
Dramaturgie: Andrea Schmid
Aufführungsfotos: Judith Schlosser
Audio-Ausschnitt: Der verreckte Hof
... "Der verreckte Hof" ist eine bissig- witzige, sprachlich minutiös ausgetüfftelte und musikalisch fein getaktete Milieustudie. In seiner so flotten wie derben Stubenoper erzählt Georg Ringsgwandl von den globalen Verwerfungen und ihren Folgen, von alten Familienmustern und neuen Betreuungsformen, von Burnout, vom Kampf der Geschlechter und vom Ringen um das gute Leben und davon, wie schwierig das gute Leben zwischen Selbstverwirklichung und Konsumzwang zu finden ist.
Autor und Kabarettist Georg Ringsgwandl packt seine Figuren in einen dicken Pelz aus bayrischen Mundartidiomen, die kaum anders klingen als in einem beliebigen Schweizer Dialekt.
Regisseur Stephan Roppel schält die Figuren vorsichtig aus diesem Pelz heraus bis auf ihren blanken und verletzlichen Kern ohne sie dabei bloßzustellen. Da schwingt bei allen rhetorischen Überdrehtheiten stets leise Ironie mit.
Wenn Suly Röthlisberger als "Weichsenriederin" sich in ihrem "Brunssuhl" zu ihren "damischen", sprich dämlichen oder blöden Nachkommen ins Pfefferland wünscht, so ist das hinreißend böse und ehrlich erschütternd. Am Akkordeon begleitet Robi Rüdisüli das großartige Ensemble auf dem schmalen Grat zwischen Durchstarten und Scheitern.
"Der verreckte Hof" ist eine Metapher für nicht gelebtes Leben, egal ob in der Stadt oder auf dem Land. ... und diesen Hof wird man so schnell nicht los.
Kaa Linder SFR2 7.10.2014
So unterhaltsam kann Demenz sein!
Wäre ich zu einem Theaterstück über Demenz eingeladen worden, wäre ich wohl nicht hingegangen. Der Titel des Ringsgwandl-Stückes "Der verreckte Hof" verriet indes nichts davon, auch nicht, wie witzig, unterhaltsam und charmant der Abend sein wird. Allerdings ist der Name Markus Schönholzer, der die musikalische Leitung innehat, Garant für aussergewöhnlich tolle Produktionen. Regie führte in der Schweizer Erstaufführung der hochdeutschen Fassung Stephan Roppel. Fünf Schauspieler stellen fünf markante Charakter dar: die (möglicherweise) demente Hofbäuerin (Suly Röthlisberger), der zwanghafte ausgeburnte Staatsangestellte (Michael Wolf), die Lehrerin und Tochter des Hofes (Vivianne Mösli) und der in der Stadt lebende Manager im Softwarebereich (Christoph Rath). Niemand hat Zeit, sich um die Mutter und den Hof zu kümmern. Das zahlt sie ihnen allen mit bissigen Bemerkungen heim. Doch dann erscheint die langbeinige blonde Svetlana aus der Ukraine (Judith Cuenod) – und hält allen den Spiegel vor. So wird reihum auf dem bayrischen Hof ausgeteilt. Dies sehr oft gesungen, begleitet von Robi Rüdisühlis Handorgel. Die Texte und Lieder stammen von Ringswandl, der in seinen Dreissigerjahren die Herzchirurgie verliess, um sich seiner wahren Passion, dem Musiktheater zuzuwenden, mit Humor und Politsatire.
Die Bühne von Petra Strass im Steingewölbe der Winkelwiese, ganz aus Holz ist eine Fusion aus Maiensäss und Scheune. Alles nah beisammen, verwinkelt, mit zahlreichen Türen und Läden versehen, die ständig auf zu zuklappen. Überraschend, wo die fünf Schauspieler überall hinkriechen, sich ins Bett legen, sich hinter einer Scheiterbeige verstecken, um später anderswo wieder zu erscheinen. Diese schlichte Komplexität überzeugt – genauso wie Rüdisühlis musikalische Begleitung von Texten und Gesang. Eine Handorgel, ein paar Stimmen. Schönholzer hatte die musikalische Begleitung, die für eine Rockgruppe "geschrieben" worden und für die es keine Noten gibt, mit den Schauspielern und Rüdisühli nur mittels Proben und Ausprobieren auf die Akkordeonfassung umgebaut: minimal Art, einfach witzig und grandios.
Reto Agosti Imscheinwerfer 20.10.2014
Ringsgwandls "Der verreckte Hof" am Zürcher Theater Winkelwiese
Bauernsterben als Mini-Oper
Mit der Schweizer Erstaufführung von Georg Ringsgwandls "Der verreckte Hof" hat das Zürcher Theater Winkelwiese die Saison eröffnet.
... Volkstheaterhaft direkt und derb geht es zu in Georg Ringsgwandls Stück "Der verreckte Hof", das Stephan Roppel, der Leiter des Zürcher Theaters Winkelwiese, als Schweizer Erstaufführung an den Beginn seiner letzten Saison stellte. Er selbst inszenierte die Produktion, Markus Schönholzer zeichnet für die Musik verantwortlich.
Der Bayer Ringsgwandl, ausgezeichnet unter anderem mit dem Salzburger Stier, ist als Kabarettist und Liedermacher auch in der Schweiz ein Begriff.
... Die Dialoge sind pointenreich und parodieren treffsicher heutige Sprachmasken: den Jargon der Manager ebenso wie zeitgeistige Alltags-Floskeln. Der bäuerlichen Tradition stellt Ringsgwandl mit der jungen Generation die überdrehte Leistungsgesellschaft gegenüber...
Alfred Ziltener Schweizerische Depeschenagentur 5.10.2014
Knatsch und Volksmusik am "Verreckten Hof"
- Da reimt sich Wampe auf Schlampe und Marsch auf Arsch: Georg Ringsgwandl, politsatirischer Punk-Kabarettist aus Bayern, schreibt auch fürs Theater. Und wie viele Komiker meint er es zwischen den aufs Gelächter zielenden Zeilen todernst.
In "Der verreckte Hof", seiner "Stubenoper", die das Theater an der Winkelwiese als Schweizer Erstaufführung zeigt, geht es um die Stressgesellschaft und die Gräben zwischen Wunsch und Wirklichkeit, Tradition und Moderne, Eingesessenen und Zugewanderten. Alle sind vom Leben überfordert auf dieser aus Holz gezimmerten Bühne mit ihren Türen und Klappen, die sich trefflich für überraschende Auftritte eignen: die drucksige Gerlinde (Vivianne Mösli), deren verbeamteter Mann (Michael Wolf), ihr möchtegernstädtischer Bruder (Christoph Rath) und die demente Oma (Suly Röthlisberger), die - so bestimmt die Familie - Betreuung braucht.
Weil niemand Zeit hat, engagiert man die "Care-Migrantin" Svetlana ( Judith Cuenod), die als Einzige weiss, dass man sich sein Glück selbst schmiedet und dafür längst am Amboss steht...
Nina Scheu Tagesanzeiger 6.10.2014